11. Oktober 2016
Hartz IV-Empfänger muss Pflichtteil aus Berliner Testament geltend machen
Das SG Mainz hat entschieden, dass ein "Hartz IV"-Empfänger im Falle eines Berliner Testaments seinen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Erstverstorbenen dann geltend machen muss, wenn ausreichend Barvermögen vorhanden ist, um den ausgeschlossenen Erben auszuzahlen.

Der Vater des Klägers war im Frühjahr 2015 verstorben. Er hatte 1990 mit seiner Ehefrau in einem sog. Berliner Testament vereinbart, dass zuerst der überlebende Ehegatte Alleinerbe werden soll und erst nach dessen Tod die zwei gemeinsamen Kinder den verbliebenen Nachlass erben würden. Dem somit zunächst vom Erbe ausgeschlossenen Kläger kam daher unstreitig ein Anspruch auf Auszahlung des Pflichtteils in Höhe von 1/8 des Nachlasses zu. Der Wert der Erbschaft betrug ungefähr 140.000 Euro, darunter ein Barvermögen von 80.000 Euro. Abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten konnte der Kläger als Pflichtteil ca. 16.500 Euro von seiner Mutter verlangen; ein Betrag, der deutlich über seinen Vermögensfreibeträgen lag. Der Kläger war jedoch auch nach Aufforderung durch das Jobcenter - aufgrund des Alters, Behinderung und Pflegebedürftigkeit der Mutter sowie den Ausschluss vom Erbe beim Tod der Mutter - nicht bereit, diesen Anspruch geltend zu machen. Die Mutter müsse jedes Jahr einen Teil ihres Vermögens aufwenden, um ihre Ausgaben zu bestreiten. Seine Mutter habe im Übrigen auch angekündigt, den Pflichtteilsanspruch nicht freiwillig auszahlen zu wollen.

Das SG Mainz hat die Entscheidung des Jobcenters bestätigt.

Nach Auffassung des Sozialgerichts hat das Jobcenter dem Kläger Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") zu Recht nur noch in Form eines Darlehens bewilligt, weil er aufgrund eines Anspruchs auf den Pflichterbteil nach seinem Vater über ausreichend Vermögen verfügte. Das Jobcenter könne zwar im Falle eines Berliner Testaments von einem Leistungsempfänger grundsätzlich nicht verlangen, seinen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Das sei nicht zumutbar, weil damit der ausdrücklich vereinbarte Wille der Eltern unterlaufen würde. Eine Ausnahme gelte jedoch, wenn ausreichend Barvermögen vorhanden sei, um den ausgeschlossenen Erben auszuzahlen, ohne dass z.B. ein Grundstück verkauft oder beliehen werden müsse. Auch nach den Berechnungen des Klägers würden die Rücklagen der Mutter bei Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nicht in unmittelbarer Zukunft, sondern erst in einigen Jahren aufgebraucht sein. Über diesen Zeitraum hinweg könne keine sichere Prognose über die finanziellen Entwicklungen gestellt werden, die bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine besondere Härte und damit eine Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme begründen könnte. Im Übrigen könne sich der Kläger auch nicht auf die Pflichtteilsstrafklausel berufen, da völlig unklar sei, wie hoch der zukünftige Nachlass – auf den er dann verzichten müsste – sein werde.

Quelle: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA160902072&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp
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